Das Hausmeerschweinchen (Cavia porcellus) ist eine Säugetierart aus der Familie der Meerschweinchen und vermutlich eng mit dem Tschudi-Meerschweinchen verwandt. In Europa und Amerika werden Meerschweinchen oft als Haustiere gehalten. Meerschweinchen wurden ca. 5000-2000 v. Chr. in Südamerika domestiziert.
Im 16. Jahrhundert wurden Hausmeerschweinchen nach Europa und Nordamerika exportiert. Von diesen stammen somit alle dortigen Meerschweinchen ab. Jedoch existieren weiterhin unabhängige, ältere Linien in Südamerika. Die Größe der dortigen Meerschweinchen ist unterschiedlicher als in Europa und Nordamerika. In Südamerika werden sie zu Speisezwecken und rituellen Zwecken gehalten.
Verhaltensunterschiede zwischen Wild- und Hausmeerschweinchen
Die größen Veränderungen im Verhalten im Laufe der Domestikation kann bei Hausmeerschweinchen im Sozialverhalten der Männchen beobachtet werden. Tschudi-Meerschweinchen leben in Haremsgruppen, bestehend aus einem Männchen und mehreren Weibchen. Die Männchen untereinander sind unter den eingeschränkten Platzverhältnissen in Gefangenschaft absolut unverträglich, es ist nicht möglich, mehrere Männchen zusammenzuhalten, da das stärkere Männchen die schwächeren Männchen töten würde. Nur bei dem entsprechend großen Platzangebot in freier Wildbahn bilden sich großräumige Beziehungsgeflechte auch unter den Männchen aus, ohne dass sie sich gleich umbringen, sobald sie sich sehen.
Hausmeerschweinchen dagegen werden traditionell in gemischten Gruppen mit mehreren Männchen und mehreren Weibchen unter vergleichsweise engen Platzverhältnissen gehalten, die Gruppengröße liegt meist zwischen 20 und 50 Tieren. Aufgrund der gemeinsamen Haltung mehrerer Männchen auf wenig Platz sind diese untereinander verträglicher geworden. Reine Bockgruppen sind bei Hausmeerschweinchen dadurch durchaus möglich.
Damit ein möglichst stressfreies Zusammenleben von Meerschweinchenböcken möglich wird, ist nicht nur die Aggressionsbereitschaft gesunken, sondern das Imponier- und Drohverhalten ist ausdrucksvoller und wird häufiger gezeigt. In gemischtgeschlechtlichen Großgruppen kann sogar ein Zusammenschluss von mehreren Männchen beobachtet werden, die wiederum stärkere Männchen in Schach halten.
Das Fluchtverhalten hat sich voll erhalten, allerdings flüchten Hausmeerschweinchen unkoordinierter als die Wildform. Während Tschudis auf der Flucht über Hindernisse bis 60cm Höhe springen, nutzen Hausmeerschweinchen Versteckmöglichkeiten. Sind diese nicht vorhanden, bildet die in Panik geratene Gruppe ein Knäuel, wobei jedes Tier versucht, einen Platz unter seinen Gruppengenossen zu ergattern.
Physiologische Unterschiede zwischen Wild- und Hausmeerschweinchen
Der Kopf läuft nicht so spitz zur Schnauze zu wie beim Tschudi. Das Hirngewicht ist im Verhältnis zum Körpergewicht kleiner als bei der Wildform. Der Ohrenansatz ist bei den meisten Hausmeerschweinchen tiefer, die Ohrmuscheln sind größer. Hängeohren kommen häufig vor. Die Augenfarbe kann abhängig von der Haarfarbe dunkel wie bei der Wildform sein, sie kann aber auch rotbraune, rötliche oder blaue Farbtöne aufweisen.
Der Körperbau ist gedrungener und rundlicher und nicht so schmal wie beim Tschudi.
Die Hinterbeine sind kürzer als bei der Wildform. Polydaktylie tritt bei südamerikanischen Linien oft auf: Meerschweinchen mit zu viel Zehen gelten als besonders zart und schmackhaft. Insbesondere bei den Mastmeerschweinchen können an den Vorderpfoten bis zu acht Krallen statt vier gezählt werden, bei den Hinterpfoten kommen ab und an bis zu sechs Krallen vor. In Europa und Nordamerika wird darauf geachtet, nur mit normalzehigen Meerschweinchen zu züchten. Polydaktylie gilt als Erbfehler.
Im Laufe der Jahre hat sich bei den Meerschweinchen eine Vielzahl von Farben und Fellvarianten gebildet. In Südamerika werden helle Fellfarben mit weßer Haut bevorzugt, damit der Schlachtkörper appetitlicher aussieht. Dunkle, insbesondere schwarze Tiere werden zu vielen rituellen Zwecken gebraucht.
An Fellvarianten sind bisher kurzhaarige (Glatthaarmeerschweinchen), langhaarige (Langhaarmeerschweinchen) und Tiere mit gekräuseltem Haar (US-Teddy, CH-Teddy, Rex, Lunkarya) aufgetreten. Zusätzlich existieren noch Tiere mit Wirbeln am Körper (Rosettenmeerschweinchen) oder einem speziellen Kopfwirbel (Crested). Auch diese Varianten werden gezielt gezüchtet und im Rassestandard beschrieben.
Haarstrukturen bei Hausmeerschweinchen
Kurzhaar |
Kopfwirbel |
Körperwirbel |
Langhaar |
Das Geburtsgewicht liegt bei ca. 50 bis 140 Gramm, erwachsene Tiere wiegen zwischen 600-1300 Gramm (Männchen) bzw. 500-1200 Gramm (Weibchen). Nach etwa einem Jahr ist das Wachstum abgeschlossen. Die Geschlechtsreife tritt aber schon viel früher ein. Für Männchen wird die Geschlechtsreife mit ca. 2,5 Monaten angegeben, für Weibchen mit ca. 2 Monaten - bei frühreifen Weibchen auch schon mit 3 bis 4 Wochen. Der weibliche Zyklus dauert durchschnittlich 18 Tage.
Lebenserwartung: 6 bis 8 Jahre (Extremfälle bis 15 Jahre)
Körpertemperatur: 37,5-39 ° Celsius (bei extremeren Abweichungen zwischen 37,4-39,5 ° Celsius)
Atemfrequenz: 100-130 Züge pro Minute (in Extremfällen bis zu 150 Züge pro Minute)
Herzfrequenz: 230-380 Schläge pro Minute (durchschnittlich 300 Schläge pro Minute)
Sehvermögen: Meerschweinchen besitzen einen weiten Sichtradius, können dafür Entfernungen schlechter abschätzen. Sie können zwar Farben unterscheiden, diese scheinen aber keine größere Bedeutung zu besitzen. Das Verhältnis der Stäbchen (welche für das Hell-Dunkel-Sehen verantwortlich sind) zu den Zapfen (welche für das Farbsehen verantwortlich sind) beträgt 4-5:3.
Hörvermögen: Meerschweinchen besitzen ein weiteres Hörspektrum als Menschen, besonders, was hohe Töne betrifft. Laut Ilse Pelz liegt "die oberste Hörgrenze [...] bei 33.000 Hertz (beim Menschen etwa 15.000 bis 20.000 Hertz).
Geruchssinn: Meerschweinchen besitzen einen sehr gut ausgeprägten Geruchssinn, welcher jenen des Menschen bei weitem übertrifft. Der Geruchssinn scheint der wichtigste Sinn für die Tiere zu sein. Sie nehmen ihre Umwelt sehr stark über Gerühe wahr.
Tastsinn: Meerschweinchen verfügen über Schnurrhaare (Vibrissen), mit denen sie sich im Dunkeln besser orientieren können.
Verhalten
Aktivität:
Bei Meerschweinchen wechseln sich die Aktivitäts- und Ruhephasen mehrfach ab. Dies gilt sowohl für den Tag, als auch für die Nacht. Rund um die Uhr nehmen Hausmeerschweinchen bis zu 80 kleine Mahlzeiten zu sich. Daher ist es sehr wichtig, dass den Tieren rund um die Uhr Wasser und Heu zur Verfügung stehen. Ihre Hauptaktivitätszeiten können die Tiere an Umweltbedingungen oder Gewohnheiten ihrer Besitzer (Fütterungszeiten, Beschäftigung) anpassen.
Komfortverhalten:
Zum Komfortverhalten von Meerschweinchen gehört entspanntes Dösen, bei der die Meerschweinchen mit dem Kopf auf dem Boden und mit lang ausgestreckten Körper herumliegen. Die Hinterbeine können dabei entweder zu einer Seite zeigen oder aber seltener zu beiden Seiten zeigen. Wenn sie zu beiden Seiten nach hinten weggestreckt werden, liegen die Beine mit dem Innenschenkel auf dem Boden. Die Vorderfüße liegen entweder unter dem Kopf oder frei zur Seite gestreckt. Auch seitliches Liegen kommt vor.
Haben die Meerschweinchen die Möglichkeit zum Sonnen, sieht man sie oft auch entspannt in der Sonne dösen, solange es nicht zu warm dafür ist.
Schlafen und Dösen wird sehr oft mit Strecken des Körpers und der Vorderbeine und Gähnen beendet. Beunruhigte Meerschweinchen dagegen stehen sofort auf, ohne sich zu strecken und zu gähnen.
Kratzen und Knabbern ist meist häufiger zu beobachten als Putzen. Beides kann als Verlegenheitsgeste auftreten.
Die Nase wird mit den Vorderpfoten geputzt, wobei die Laufflächen immer zum Boden hin zeigen und die Zehen leicht nach innen zur Vorderpfotenfläche hin gekrümmt sind. Entweder wird die Nase mit beiden Vorderpfoten gleichzeitig geputzt, wobei sich die Pfoten parallel bewegen, oder es wird nur eine Pfote benutzt. Ein Kratzen der Nase mit einer Hinterpfote ist möglich, wobei die Hinterpfote seitwärts am Körper und Vorderpfoten vorbeigeführt wird und der Kopf der Hinterpfote entgegengedreht wird. Die Vorderpfoten stehen dabei fest auf dem Boden.
Spielverhalten ist bei Meerschweinchen nicht so ausgeprägt wie bei anderen Säugetieren. Man sieht junge Meerschweinchen oft Luftsprünge (auch "Popcornen" genannt) machen, bei der sie wie Pferde mit den Hinterbeinen ausschlagen oder mit rundem Rücken und allen vier Beinen gleichzeitig in die Höhe springen. Je nach Konstitution und Alter der Meerschweinchen können diese Luftsprünge von 5cm bis 25cm Höhe erreichen. Unter allgemein üblichen Haltungsbedingungen erhält sich dieses Verhalten bis ins hohe Alter und gilt für den Pfleger als ein Zeichen von Wohlbefinden. Die gesamte Gruppe kann durch ein einzelnes popcornendes Tier seinerseits zum Hüpfen veranlasst werden. In sehr großen Außenhaltungsgehegen kommen solche Luftsprünge bei ausgewachsenen Meerschweinchen kaum vor.
Sozialverhalten
Imponiergehabe:
Als Imponiergehabe zeigen Männchen oft einen sehr gestelzt wirkenden Gang, bei dem sie mit jedem Auffußen der Hinterläufe das Hinterteil in die Richtung strecken, wo der Hinterfußaufgesetzt wurde. Wird also der rechte Hinterfußaufgesetzt, bewegt sich der Hintern extrem weit nach rechts, setzt der linke Hinterfußauf, wird auch der Hintern extrem weit nach Links gekippt. Die Beine sind bei diesem Wiegeschritt stark durchgedrückt, die Bewegungen langsam und betont. Die Kehle wird soweit wie möglich zum Boden hin herausgedrückt, die Nase möglichst weit und leicht nach oben gestreckt. Zusätzlich wird der Kopf leicht zum Gegner hin gedreht, so dass dieser die volle Größe sieht. Begleitet wird dieser Wiegeschritt durch ein tiefes Knattern. Unter Meerschweinhaltern wird sich dieses Verhalten brommseln genannt. Brommseln ist nicht nur bei Männchen zu beobachten, auch die Weibchen zeigen dieses Verhalten untereinander, allerdings nicht so ausgeprägt und häufig, wie Männchen untereinander.
Drohen:
Mit einem leichten, schnellen Kopfheben in Richtung des Gegners und kaum merklichem Durchdrücken der Kehle Richtung Boden wird dem Gegner gedroht. Wird die Drohung nicht ernst genommen, folgt ein kurzes Zwicken in Richtung des Gegners. Besonders häufig ist dieses Drohverhalten bei Weibchen zu beobachten, die sich zu nahe kommen, zum Beispiel beim Fressen.
Gegner, die von hinten kommen, werden mit gezielten Fußtritten der Hinterfüße auf Abstand gehalten. Dieses Drohverhalten kann bei Weibchen und Männchen gleichermassen beobachtet werden.
Wird Drohen vom Gegner erwidert und kann durch Imponiergehabe keine Einigung erreicht werden, wird stärker gedroht. Aus dem Wiegeschritt heraus fangen die Kontrahenten an, mit den Zähnen zu klappern. Meist bleiben sie stehen und drehen die hoch erhobenen Köpfe zueinander. Dabei wird nach einer günstigen Gelegenheit geschaut, dem Gegner in die Seiten, den Rücken oder den Hintern zu zwicken, auch die Ohren sind willkommene Ziele für Zwickattacken. Meist richten die Kontrahenten sich kurz vor oder während des Zähneklapperns seitlich so zueinander aus, dass der Kopf in Höhe des Hinterns des Kontrahenten und der Hintern in Höhe des Kopfes des Kontrahenten ausgerichtet ist.
Zwick- und Beißattacken versucht der Kontrahent mit Beiseitespringen auszuweichen. Nach einer Zwickattacke klappern die Kontrahenten wieder mit den Zähnen und umkreisen sich langsam, bis die nächste Zwickattacke erfolgt.
Irgendwann dreht sich das unterlegene Tier um und rennt weg. Der Sieger verfolgt den Unterlegenen noch ein gutes Stück.
Drohen durch Zähneklappern kann hauptsächlich bei Männchen beobachtet werden, bei Weibchen ist es sehr selten.
Beschwichtigung:
Als Beschwichtigungsgeste wird entweder der Kopf leicht abgesenkt oder aber es ist keine körperliche Bewegung sichtbar. Das beschwichtigende Meerschweinchen gibt hohe, je nach Erregung leisere oder lautere Quietschlaute von sich. Die gleichen Laute geben viele Meerschweinchen von sich, wenn sie am Rücken und Nacken gestreichelt werden. Manchmal zeigen sie dann auch ein Wegtreten der streichelnden Hand oder ein kurzes Hüpfen nur mit den Hinterbeinen. Dies ist weder ein Zeichen für Wohlbefinden noch ein Zeichen für kitzlig sein, auch wenn oft gegenteiliges behauptet wird.
Beunruhigung:
Bei leichter Beunruhigung ist ein kurzes helles Knurren zu hören. Es wird in längeren Abständen wiederholt. Bei starker Beunruhigung wird dieses Knurren zu einem deutlich vernehmbaren Knattern.
Cirpen:
Cirpen ist ein hoher Laut, der monoton wiederholt wird. Er wird meist mit Vogelzwitschern verglichen. Bei Tschudi-Meerschweinchen und Wildmeerschweinchen ist Cirpen am meisten zu hören. Bei Hausmeerschweinchen nur selten: Einige Hausmeerschweinchen scheinen das Cirpen gar nicht zu können. Die Funktion des Cirpens ist bisher unklar, wird aber oft entweder mit der Brunst oder mit Beunruhigung in Zusammenhang gebracht.
Gruppenliegen:
Meerschweinchen liegen normalerweise berührungsfrei in Sichtweite. Ein Kontaktliegen, wie es von anderen gruppenlebenden Nagern oft beobachtet werden kann, gibt es nur bei den Jungtieren. Anhand der Aufteilung der liegenden Meerschweinchen im Raum kann oft auf Rangordnung und Freundschaft geschlossen werden. Befreundete Tiere liegen dichter zusammen, ranghöhere Tiere ergattern sich die besten Liegeplätze. Männchen, die in Haremsgruppen gehalten werden, liegen meist außerhalb von Häuschen und Deckung so, dass sie alle ihre Weibchen sehen können.
Nur bei sehr kaltem Wetter oder im gemeinsamen Versteck bei Gefahr sieht man Meerschweinchen auch mit Körperberührung liegen.
Gegenseitige Körperpflege:
Normalerweise werden nur die Jungen in den ersten zwei Tagen von ihrer Mutter geputzt, andere gegenseitige Körperpflegemaßnahmen finden nicht statt. Es gibt jedoch einige wenige Ausnahmen. So kann bei trockenem Wetter selten beobachtet werden, dass ranghohe Weibchen, wenn sie beim Trinken nass wurden, zu ihrer besten Freundin gehen und diese das Fell trockenlecken lassen. Dazu wird der Kopf hochgestreckt und die nasse Stelle präsentiert. Eine weitere Ausnahme ist das gegenseitige Abschlecken, wenn Futter am Maul und Kopf hängengeblieben ist. Auch das sieht man nur bei sehr eng befreundeten Meerschweinchen und nur sehr selten.
Liebhabertiere
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts werden Meerschweinchen zunehmend auch zum Zeitvertreib gehalten und gezüchtet. Meerschweinchen galten schnell als gut für Kinder geeignet, da sie sehr robust sind und nicht so schnell zubeißen, wie z. B. Kaninchen. Normal war und ist die Einzelhaltung in engen Käfigen. Mit der Verbreitung der Meerschweinchen über Zooläden seit den 1960er Jahren wurden unglücklicherweise zunehmend einzelne Meerschweinchen mit einzelnen Kaninchen kombiniert.
Seitdem Tiere in Deutschland nicht mehr als Sache gelten und damit dem Tierschutzgesetz mehr Gewicht verliehen wurde, ist eine Einzelhaltung oder Haltung eines Meerschweinchens mit einem Kaninchen nicht mehr gesetzeskonform, da in mehreren Versuchen gezeigt werden konnte, dass Meerschweinchen in Einzelhaltung Verhaltensstörungen entwickeln, weniger aktiv sind und verfetten. Es gibt jedoch noch keine Verordnung, die eine Gruppenhaltung von Meerschweinchen vorschreibt. In der Schweiz und in Österreich dagegen ist die Gruppenhaltung von Meerschweinchen inzwischen gesetzlich festgelegt und es liegen auch gesetzliche Mindestanforderungen zur Käfiggröße vor, die bei weitem die bisher üblichen Käfiggrößen überschreiten.